Die taz-Journalistin Ulrike Herrmann hat bei der Bundeszentrale für politische Bildung einen sehr schönen Text über die Fußangeln des Kapitalismus veröffentlicht, unter der Zwischenüberschrift „Kapitalismus ohne Wachstum?“ setzt sie sich mit Wachstumskritik auseinander. Zentrale These: Für Wachstumskritiker sei „Wirtschaft nur die Summe aller Unternehmen“, man müsse nur „von unten“ beginnen, alles vernünftig zu machen, und schon klappt das mit dem enkeltauglichen Wirtschaften. Die systemische Sicht fehle demnach, mir kommt das nicht so vor: Wo man sich auch mit diesen leider nicht sehr zahlreichen Menschen unterhält, die sich intensiv mit Alternativen zum herrschenden Wirtschaftsmodell auseinandersetzen, werden eigentlich immer systemische Zwänge bemüht, will man die Wachstumszwänge des Kapitalismus abschalten. Häufig ist es das Geld- oder Finanzsystem mit seinem Zwang zu (Zins-)Gewinnen. Leider viel seltener der für mich fundamentale Wachstumszwang: Konkurrenz. Wenn Unternehmen konkurrieren, müssen sie Innovationen hervorbringen und/oder billiger werden. Beides ermöglicht schlussendlich mehr Konsum – oder eben: Wachstum. Wollen wir einem gleichgewichtigen Wirtschaftssystem auch nur näher kommen, ist es unvermeidlich, Konkurrenzbeziehungen zu lockern: Weniger Freihandel, mehr Regulierungen, mehr regionale Märkte, mehr öffentliche Dienstleistungen. Wenn so einige Märkte zusammenbrechen, wäre das eher positiv: Private Altenpflege, private Krankenversicherung, private Energiekonzerne, die pseudo-private Bahn, und, und, und: Darf ruhig verwandelt werden in gemeinnützige Stiftungen, öffentliche Unternehmen, Genossenschaften oder anderen Unternehmensformen, die ihren Daseinszweck nicht in der Erwirtschaftung von Rendite sehen. Dann muss sich zwar noch lange nichts zum Besseren wandeln – doch erst dann wird es möglich, dass eine andere Kultur des Wirtschaftens überhaupt eine Chance hätte. Eine, bei der es darum geht, Probleme für die Menschen und die Gesellschaft zu lösen, und nicht in Rentabilitätsbetrachtungen und Innovationszyklen gefangen zu sein. (Das war vielleicht zu kurz und knapp, aber die Langversion kommt schon noch.)