Ist die Forderung nach einem Grundeinkommen progressiv? Anbei ein Gedanke dazu:
(Natürlich soll eine reiche Gesellschaft ihre Bürger vor Armut bewahren und bei Lebensrisiken aller Art unterstützen, und sie muss auch wesentlich gleicher werden. Aber soll dazu „bedingungslos“ Geld ausgekippt werden, noch dazu in einer Höhe bis 1500 Euro, wie sie von manchen bGE-Vertretern diskutiert wird?)
Dreh- und Angelpunkt unseres Wirtschaftssystems ist Geld, es zu besitzen und zu mehren ist Zwangsjacke und Befreiungsritual und so wurde eine über tausende Jahre unerwünschte Neigung zur Tugend: Die Gier. Schließlich nützt die Geldgier des Investors, Investmentbankers und Kleinsparers dem Arbeitnehmer, weil so mehr Wachstum möglich würde. Nein, tut es bei weitem nicht immer, aber wir glauben daran, vor allem, dass unsere Welt nur so funktioniert. Ich bin mir aber sehr sicher, dass wir für eine zukunftsfähige Gesellschaft die menschliche Gier wieder stärker kontrollieren – und das heißt auch ächten müssen.
Das übersetzt sich in ein Programm, die Ursachen für Geldgier zu verringern. Also raus aus dem Finanzspektakel, Geld unwichtiger machen und mehr Gleichheit herstellen. Das bGE stellt mehr Gleichheit bei den weniger wohlhabenden Bürgern her, macht aber Geld nicht unwichtiger, sondern nur die Erwerbsarbeit. Sicher wird das Alimentieren von Menschen mit Geld nicht deren Wunsch verringern, noch mehr davon haben zu wollen. Deshalb sollte eine andere Vision gestrickt werden:
Basisinfrastrukturen sollten kostenlos werden (Schule, Studium, Krankenversicherung, Rente, innerstädtischer ÖPNV, etc.., vielleicht die ersten 500 kWh Strom pro Bürger, etc..). Genauso wichtig: die Förderung von regionalen sozialen Netzen und Verbünden, wobei mit dem Ziel einer Regionalisierung auch das Ziel verbunden sein muss, dass die Bürger mehr persönliche Beziehungen in ihren Umfeldern eingehen / aufbauen. D.h., eine umfassende Entanonymisierung der Lebensumfelder der Menschen.
Wollen wir eine enkeltaugliche Welt, werden wir um kulturellen Wandel nicht herumkommen, der den Menschen eine andere Art von Bedürfnissen näher legt als Konsumbedürfnisse: Mehr Beziehungen (und so mehr Sicherheit), mehr Zeit für Dinge, die jenseits der Geldspäre existieren und entstehen, mehr Möglichkeiten, sich auf einer Basis zugehörig zu fühlen, die nicht vom „was-großes-haben“ oder „was-großes-sein“ geprägt sind, sondern auf der Basis von Respekt der Kreativität, der Hilfsbereitschaft, der … gegenüber.
Wie das kommen soll – keine Ahnung. Aber gieskannenartig gigantische Mengen Geld so umzuverteilen, wie es beim bGE gedacht ist, scheint mir in die falsche Richtung zu zeigen.
Das bedingungslose Grundeinkommen findet ja immer mehr Befürworter, mittlerweile auch in Kreisen, in denen man das zunächst nicht vermutet hätte. Dennoch vermute ich, dass bei uns die ideologischen Widerstände in der Gesellschaft sehr groß wären.
Auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel meinte Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, langfristig würden „einige auf der Strecke bleiben, weil sie mit der Geschwindigkeit auf der Welt einfach nicht mehr mitkommen“. Auf sie warten könne man jedoch nicht, denn dann würden Deutschland und Europa verlieren.
Als Lösungsansatz für eine bessere soziale Absicherung nannte er das bedingungslose Grundeinkommen, für das sich in verschiedenen Varianten auch andere Unternehmer wie z.B. Elon Musk aussprechen. Kaeser meint sogar, eine Art Grundeinkommen werde unvermeidlich sein, sozusagen als Puffer in der Transformationsphase.
Einen anderen Ansatz verfolgt Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette DM. Er plädiert schon seit vielen Jahren für ein bGE. U. v. a. führt er an, dass heute jeder nachweisen müsse, „dass er nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Ein Beleg für sein Unvermögen sozusagen. Das macht die Menschen zu Almosenempfängern, und das belastet ungeheuer.“
Wir leisten uns einen riesigen Apparat mit Job-Centern, Arbeitsagenturen, privaten Schulungsanbietern u.v.m. All dies kostet viel Geld und der Erfolg ist höchst zweifelhaft. Gerät man in eine Hartz IV-Situation, scheint die Gängelei der Betroffenen häufig unerträglich zu sein. Ein Berg von Klagen beschäftigt Rechtsanwälte und Gerichte. Und all das kostet den Steuerzahler ja ebenfalls viel Geld.
Mein eigener Meinungsbildungsprozess ist in dieser Sache keineswegs abgeschlossen, aber eine Umverteilung all dieser Gelder in ein bGE scheint mir tatsächlich überlegenswert.
Das momentan in Finnland beginnende Experiment werde ich jedenfalls mit großem Interesse verfolgen. Seit 1. Januar erhalten 2000 zufällig ausgewählte Arbeitslose zwei Jahre lang jeden Monat 560€. Ganz ohne Gegenleistung, ganz ohne Bedingungen, ganz ohne Verpflichtungen. Allerdings auch keine weiteren Leistungen.
Ich bin gegen ein bGE aus zwei Gründen:
Erstens, denke ich, dass sich der Markt in kürzester Zeit an das Level des bGE angepasst hat, d.h. die Mieten, die Lebensmittelpreise usw. steigen an, so dass mit dem bGE in etwa ein Sozialhilfeniveau erreicht wird. –> Somit hätten die verloren, die im unteren Lohnsegment durch die „günstigen“ Preise ihr Leben organisieren und die, die den Plan hatten nach Einführung des bGE sich ehrenamtlich, kreativ oder sonstwie zu verwirklichen.
Zweitens befürchte ich, dass ein generelles bGE nur unter der Bedingung eingeführt wird, dass viele der staatlichen Unterstützungsgelder im Gegenzug gestrichen werden. Das bedeutet, die in vielen Jahren erstrittenen, erkämpften Rechte, Hilfen und Leistungen, die in besonderen Lebenssituationen aus Steuermitteln oder durch Solidarleistung aller Sozialversicherten bislang gezahlt werden, stehen auf dem Spiel. Auch das möchte ich nicht einem bGE opfern.
Noch eines zum Schluss: Regierungen können durch staatliche Mittel und Gesetze bestimmte Verhaltensweisen fördern und unerwünschte verbieten. Durch das bGE könnte es sein, dass diese Steuerungsmacht abnimmt. Auch das halte ich für undemokratisch und in gewisser Weise unsozial.
Die Meinungen dazu sind ja schon seit Jahren sehr unterschiedlich. Ich glaube jedoch, dass es für viele Menschen eine tolle Chance wäre, um endlich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Natürlich wäre das ganze nicht von heute auf morgen umsetzbar, aber es wäre sicherlich einen Versuch wert.