Globalisierung: Das globale Gängeln

Globalisierung ist mehr als die Entwicklung, Produkte um den halben Weltball zu karren, bevor sie in anonymen Supermärkten verkauft werden. Und sie führt nicht nur zu kulturellem Einheitsbrei und billigen Massenprodukten. Sondern vor allem zu mehr Konkurrenz: Die Informatiker um’s Eck konkurrieren mit Programmierern aus Bangalore, die Industriearbeiter von VW mit Nissan, die Allgäuer Milchbauern mit den Polnischen. Städte konkurrieren um Unternehmen, Schloss Neuschwanstein und Disneyland um Touristen, Schüler um Leistungen. Dass Menschen etwas auch ohne Konkurrenz- und Leistungsdruck gut machen wollen, das Leben einfach nur schön sein kann und Kinder auch ohne Druck forschen und verstehen wollen, passt nicht in das, was heute unter Globalisierung verstanden wird.

Zunehmende Konkurrenz erschwert jede demokratische Gestaltung, die nicht ökonomischen Kalkülen gehorcht. Damit gewählte Parlamentarier nicht zu sehr auf dumme Gedanken kommen, werden deren Gestaltungsmöglichkeiten nicht nur aufgrund knapper werdender Mittel beschnitten (Länder konkurrieren auch über Steuersätze). Manche Gestaltungsfreiheiten werden ihnen sogar untersagt – bzw.: Sie beschließen ihre Selbstentmachtung sogar selbst.

Ein Beispiel: Will eine Stadt etwas größeres bauen, hat sie den Bauauftrag international auszuschreiben. Sonst könnte die regionale Wirtschaft bevorzugt und die Globalisierung gebremst werden. Es könnte auch die Baumaffia Reibach machen. Zufällig lässt sich momentan in Regensburg genau beobachten, dass gegen Spezlwirtschaft technische Verfahren nicht wirklich helfen, sondern höchstens mehr Transparenz und mehr politischer Einfluss der Bevölkerung auch zwischen den Wahlen.

Anstatt mehr Demokratie zu wagen geht es allerdings beständig und beinahe weltweit in die andere Richtung. Warum muckt kaum wer auf? Vielleicht, weil die Vorarbeiten sehr wirksam waren:
(1) Man stelle pauschal Politiker als Deppen und Unternehmer als Halbgötter dar. Wie groß der Unfug ist, zeigt auch wieder das Beispiel Regensburg: Keine Seite ist besser oder schlechter. Korruption bedarf Korrupter und Korrumpierter, und so sitzen nicht zufällig ein Unternehmer und ein Politiker in Untersuchungshaft.
(2) Man rede der Bevölkerung ein, dass jeder Konsum oder jeder öffentliche Einkauf nur dann akzeptabel ist, wenn man das Billigste wählt. Man lasse dabei etwaige Folgen für die Umwelt, das Soziale und die Demokratie stets außer Acht. Im Ergebnis lässt die Stadt von Hochtief oder sonst einem internationalen Konzern bauen oder sie verkauft Tafelsilber gleich meistbietend an Privat. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten werden dabei immer geringer. Schließlich karrt der Baukonzern Schlafcontainer für Leiharbeiter heran und die Menschen vor Ort wundern sich nicht einmal mehr.

Die Globalisierung ist aber längst nicht fertig, selbst bei öffentlichen Ausschreibungen können Politiker noch ein wenig gestalten. Viele Bereiche sind noch nicht völlig dereguliert. Elektronische Daten etwa: Europa will, dass Kundendaten in Europa gespeichert werden, auch wenn US-Konzerne eine Dienstleistung erbringen. Energieträger etwa: Saubere sollen gefördert werden (können), fossile behindert. Arbeitnehmer etwa: Sie sollen mindestens die Mindestlöhne desjenigen Landes bekommen, indem sie arbeiten.

Gut so, denkt der normale Mensch. Schließlich ist in Europa der Datenschutz anders, die Energiewende anders und sind die Mindestlöhne anders als in Kanada, Pakistan oder Mauritius. Nicht normal wäre es, wenn ein Unternehmer aus einem Billiglohnland seine Angestellten mit in ein gut entwickeltes Land nehmen dürfte, wo er gerade eine Investition tätigt (z.B. eine Stadthalle baut), und ihnen nur den Mindestlohn ihrer Heimat zahlt. Normalen Menschen ist klar, was dann geschieht: Ausländische Arbeiter bleiben schlecht bezahlt und die Löhne inländischer Arbeiter kommen noch mehr unter Druck. Aber so lange das nicht erlaubt ist, behindert es die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen aus Billiglohnländern. Sie können dann nicht so billig wie sie könnten. Und deshalb soll die Regulierung weg.

Globalisierung als Spektakel

Das kann doch kein Mensch wollen, denkt der normale Mensch, und ließt dann, nachdem er bei Google eine absurde Abkürzung eingetippt hat, ja, es gibt Menschen, die das wollen. Die Abkürzung lautet „TiSA“ und was das ist erfährt man mit Google in Minutenschnelle, es googelt nur kaum jemand „TiSA“. „TiSA“ soll ein Handelsabkommen werden, das der EU und 22 weiteren Staaten wie den USA, Japan, den oben genannten Ländern und vor allem vielen Steueroasen wie der Schweiz oder Panama die Möglichkeit bietet, Leiharbeiter so zu behandeln wie in ihrem Herkunftsland. Zunächst nur in einigen (Dienstleistungs-)Bereichen, zunächst für begrenzte Zeit, zunächst nur bei ihren eigenen Projekten. Man nennt das dann positiv „Arbeitnehmerfreizügigkeit“, obwohl es nach Alptraum klingt.

Beispiel Datenschutz: Angenommen, eine Firma kauft eine andere. Dürfen meine Daten dann auch an die andere Firma weitergegeben werden? Facebook kaufte Whatsapp, und schon bin ich doch bei Facebook? Bereits geschehen! Ist das gut so? Oder: Wenn ich unerwünschte Werbemails bekomme, muss ich mich dann aus dem entsprechenden Verteiler austragen können? Mit TiSA: Nö. Denn mit TiSA droht, dass Spam nur noch „minimiert“ werden soll. Sollen öffentliche Behörden eigentlich Computerprogramme, die z.B. in Atomkraftwerken eingesetzt werden, überprüfen dürfen („den Quellcode einsehen“)? Mit TiSA: Nö. Sollen alle meine Daten immer auch auf US-Servern gespeichert werden dürfen, wenn ich bei einem US-Konzern was anklicke? Zurzeit nicht („Marktort-Prinzip“), mit TiSA: Yes. Sollen alle Internetinhalte weiterhin mit derselben „Priorität“ bzw. Geschwindigkeit transportiert werden („Netzneutralität“)? Mit TiSA: Nö. Bezahldienste könnten dann schneller und Kostenloses oder Unliebsames langsamer werden. Zu guter Letzt: Bei „Belangen von nationaler Sicherheit“ sollen Staaten quasi alles dürfen, damit würde der geheimdienstliche Vollzugriff legal. Je länger kaum wer „TiSA“ googelt, wird das immer wahrscheinlicher.

Auf die Frage, wofür das alles gut sein soll, gibt es nur eine naheliegende Antwort: Damit Internetkonzerne und sonstige Datenkraken ungestört Reibach machen können. Dafür wird die Demokratie wieder ein kleines bisschen weniger. Noch wäre Zeit, der Selbstentmachtung der Politiker entgegenzutreten und den ungeregelten weltweiten Fluß von Waren und Dienstleistungen zu bremsen. Einfach mal „TiSA“ googeln. Übrigens: Es gibt auch noch andere Suchmaschinen, die Datenschutz deutlich wichtiger finden als Google, z.B. Ixquick oder Duckduckgo! Einfach mal googeln.

 

 

 

 

 

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